Da waren wir nun, im Niemandsland. Zumindest sah es so aus, auch dank der Kasinos die sie kurz hinter der kambodschanischen Grenze bauen und damit alles in eine Baulandschaft verwandeln. Vermutlich ist Glücksspiel dieser Art in Vietnam verboten, in Kambodscha nicht.Aber wir sollten erst einmal aus der Mittagssonne raus und am Morgen anfangen zu erzählen.

Wie so oft mussten wir auch dieses Mal sehr früh aufstehen, damit wir nicht hungrig nach Kambodscha einreisen, sofern das „so einfach“ funzt. Noch ein schnelles Frühstück und schon ging es in den Minibus. Dieser sammelte, wie wir es inzwischen gewohnt waren, noch munter Leute ein und die Zeit rückte unaufhörlich weiter, die Fähre fährt hier ja pünktlich ab…Wieder mussten wir uns wundern mit was für einer Selbstverständlichkeit die meisten Touristen an ihrem jeweiligen Hotel warten, damit sie abgeholt werden, anstatt ihr „ach so schweres Gepäck“ die 50 Meter bis zur Hauptstraße zu tragen… Aus dem letzten Resort holen wir gleich zwei Familien ab, die erste schafft es bis zum Eingangstor, für die zweite müssen wir noch im Resort bis zur Anmeldung vorfahren, damit diese bezaubernde russische Familie erst noch tiefentspannt vom Frühstückstisch aufstehen kann. Zumindest erklärt das die letzten 10 Minuten aufgeregtes Telefonieren unseres Fahrers. Der hatte nämlich einen Zeitplan einzuhalten.

Nachdem nun endlich alle da waren, heizte unser Fahrer über die fast vollständig neu gebaute Autobahn mit jeweils 2-3 Fahrstreifen pro Richtung (ist ja in Vietnam Auslegungssache) zur Ablegestelle unserer Fähre. Wir kamen rechtzeitig an und alles klappte wie am Schnürchen. Eine kurze Zeit später kamen wir in Ha Tien an und ab hier begann es mexikanisch zu werden.
Zumindest fühlte ich mich zwischenzeitlich wie bei einem Menschenhandel. Unsere Pässe wurden zur Bearbeitung schon einmal von dem Büro bei dem wir alles gebucht hatten, an die Grenze geschafft und wir durften kurze Zeit später mit dem Minibus folgen. Wobei DER Minibus falsch ist. Bis zu unserer Weiterfahrt nach Phnom Penh durften wir 4x umsteigen.Wie schon mehrfach berichtet wurde und auch im Lonely Planet beschrieben steht, muss man gesund sein bei der Einreise nach Kambodscha. Nun kann ja jeder behaupten er wäre es, aber erst der amtliche Stempel des Grenzarztes bestätigt dies auch wirklich. Da dies ein offizieller Stempel ist und dieser wohl Seltenheitswert oder ähnliches hat, darf man sich diesen Stempeleintrag für einen läppischen Dollar kaufen. Das meine Wenigkeit bei der Temperatur-Messung mit dem ultra-modernen Fieberthermometer 37,3° (gemessen auf der Stirn) hatte und Steffi 36,9 störte den Arzt genauso wenig in seiner Routine, noch ob wir in Dong (Vietnam), Riel (Kambodscha) oder guten alten Dollar bezahlen.Mit dem frischen Stempel und dem erneuten Wechsel in einen anderen Minibus ging die Einreise munter weiter. Auf einmal stoppte der Minibus mitten auf der Straße und man signalisierte uns, hier einmal in den Big Bus umsteigen bitte… Na gut, waren wir ja inzwischen gewohnt. Noch 3x nachgefragt ob er wirklich nach Phnom Penh fährt und dann saßen wir dort für unbestimmte Zeit. Der Bus hatte schon bessere Zeiten erlebt, aber hatte auch noch ein paar Jahre vor sich.

Auf der Fahrt kamen wir mit 2 Polen ins Gespräch und die empfahlen uns ihr Hotel. Nach kurzer Überlegung willigten wir ein, auch weil es dunkel wurde und Gewitterwolken aufzogen. Der Bus stoppte auf Grund des hohen Verkehrsaufkommens nicht an der vereinbarten Stelle, dafür aber vor dutzenden Tuk-Tuk-Fahrern, die wie wild auf uns 4 einstürmten. Gerettet wurden wir dann von einer Blitzidee Steffis, wir flüchteten in das nahegelegene Krankenhaus und ließen uns von dort ein Taxi bestellen.Am Hotel angekommen klappte alles wie gewohnt, Zimmer war schnell bezogen und nach einem ersten Abendessen in Kambodscha ging es dann auch frühzeitig ins Bett. Wir hatten schließlich Pläne für den nächsten Tag.

Tag 1 – it’s raining men

Gut erholt standen wir auf und mussten feststellen das unsere Pläne buchstäblich ins Wasser gefallen sind.Es schüttete und schüttete, ähnlich Rach Gia, nur diesmal den Tag über. Also was tun? Richtig, entspannt zurück lehnen und ausregnen lassen. Gegen Nachmittag konnten wir dann aber doch aufbrechen und uns in den Abendstunden ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen. Zum Beispiel das Unabhängigkeits-Denkmal und unsere ersten zwei Wats, Wat Ounalom und Wat Phnom. Das Wat Ounalom ist der Hauptsitz der kambodschanischen Buddhisten, daher ist es auch nicht verwunderlich, dass in Phnom Penh sehr viele Mönche unterwegs sind. Das Wat Phnom beherbergt vier Buddha-Statuen, die einer Legende zufolge von einer alten Frau namens Penh am Ufer des Mekong gefunden worden sind und von ihr auf dem Hügel verwahrt worden. Der Ort, der rings um den Hügel entstand, wurde fortan Phnom Penh (Penh`s Hügel) genannt.

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Danach schlenderten wir die Touri-Flusspromenade entlang. Toll angestrahlt konnte ich die ersten Stadtbilder auf kambodschanischem Boden knipsen.

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Einen Starbucks haben wir zwar nicht gefunden, dafür haben wir aber anschließend bei „Master suki soup“ eine leckere Suppe zum Selbermachen gegessen. Die freundlichen Kellner haben uns bei der Auswahl der Zutaten und der Zubereitung ein wenig unter die Arme gegriffen. Anschließend gab es die leckere selbst gemachte Suppe, gekocht am eigenen Tisch, mhhhhh.

Tag 2 – Palast, Silberpagode und National Museum

Durch den Abendspaziergang am Vortag konnten wir unser Programm für den nächsten Tag doch etwas entspannter angehen. Der geplante Stadtspaziergang reduzierte sich schlagartig auf 2 große Punkte: das National Museum und den Palast mit der Silber-Pagode.Auf dem Weg zum Museum standen wir plötzlich auf einer breiten Straße, komplett abgesperrt und Menschen leer… Hatten wir was verpasst?! Wahrscheinlich. Ein freundlicher Tuk Tuk Fahrer erklärte uns dann kurz entschlossen das morgen der Unabhängigkeitstag in Kambodscha ist. Mit Freude wurde uns klar: timing ist alles und wir haben wieder einmal gutes Timing. :)Wir gingen weiter zum National Museum.Im Nationalmuseum von Pnohm Penh darf man die größte Sammlung an Khmer-Statuen der Welt bestaunen, einige der Stücke wurden während des Bürgerkrieges aus Angkor Wat gerettet. Außerdem haben wir ein paar Grundzüge der Religion der Khmer vermittelt bekommen. Leider darf man im Museum selber nicht fotografieren, daher werden diese Eindrücke leider nur uns vorbehalten bleiben.

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Nach dem Nationalmuseum ging es weiter zum Central Market. Inzwischen hatten wir ja in Vietnam schon einige Märkte gesehen, dieser war auch nicht viel anders. Einzig die Auslage von frischem Fleisch und Fisch wurde hier nicht so exzessiv betrieben wie in Vietnam.
Da Mischa in letzter Zeit Probleme mit seinem Handy hatte, kam er auf die spaßige Idee sich an den Ständen nach den Preisen für ein iPhone oder ein Galaxy S4 zu erkundigen und die Dinger zu testen. Nun ja, man braucht wirklich nicht viel Ahnung von Technik zu haben um zu merken wo die Fehler liegen. Selbst Steffi wusste, dass es einen Haken geben muste, wenn in der Systembeschreibung des iPhones bei Version „Android-Version: iOS 7“ steht…

Nach dem Markt ging es schnurstracks zum Königspalast.
Von diesem steht der Öffentlichkeit allerdings nur ein kleiner Teil zum Ansehen zur Verfügung. Da wir bereits den goldenen Palast in Bangkok kannten, war dieser Palast für uns nun nicht sooo aufregend. Hinter dem Palast ging es zur Silberpagode, eine Pagode, deren Boden komplett mit Silberfliesen ausgelegt ist, insgesamt liegen dort an die 5 Tonnen Silber! Außerdem befindet sich dort auch ein Buddha aus Baccarat-Kristall, der Smaragd-Buddha genannt wird, sowie ein lebensgroßer goldener Buddha, besetzt mit 9584 Diamanten. Auf dem Gelände konnten wir uns noch den goldenen Fußabdruck Buddhas ansehen, sowie ein paar kleinere Schreine und eine Miniaturausgabe von Angkor Wat, die von einem gar grauenhaften Krokodilfisch bewacht wird.

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Im Anschluss trieb uns unser Hunger zu einem kleinen „Local-Barbecue“, in dem wir den Tag ausklingen ließen.

Tag 3 – das Grauen der roten Khmer

Dieser Tag stand ganz im Zeichen der grausamen Geschichte Kambodschas und der roten Khmer (Khmer Rouge). Die roten Khmer waren eine revolutionäre Gruppe Kambodschaner, die in den frühen 1970er Jahren an Stärke gewannen, auch auf Grund vorangegangener Revolutionen und Umstürze/Umbrüche im Land.
Am 17. April 1975 marschierten die roten Khmer in Phnom Penh ein und eroberten die Stadt. Danach nahmen sie eine extrem radikale und brutale Umstrukturierung der Gesellschaft vor, mit dem Ziel Kambodscha in eine von Bauern regierte Genossenschaft umzuwandeln. Binnen drei Tage wurde Phnom Penh (damalige Bewohnerzahl: ca. 2 Millionen), so wie viele andere Städte auch, komplett entvölkert und die Menschen, darunter Alte, Kinder und Kranke, zum Arbeiten aufs Land geschickt. Ungehorsam hatte die sofortige Exekution zur Folge. Die Zeitrechnung wurde auf die Stunde Null zurückgesetzt, die Währung und das Postwesen abgeschafft und das Land schottete sich von der Außenwelt ab.
In Phnom Penh besetzten die Truppen Pol Pots (dem Anführer der roten Khmer, auch „Bruder No. 1“ genannt) die Tuol-Svay-Prey-Schule und funktionierten sie zu einem Gefängnis um. Das sogenannte Security Prison 21 (S 21). Bald wurde es das größte Gefangenenlager und gleichzeitig die schlimmste Folterstätte des Landes. Heute befindet sich dort das Tuol Sleng Museum, das wir uns zunächst an diesem Tag ansahen. Mehr als 17.000 Menschen wurden zu Zeiten der roten Khmer hier gefoltert, getötet oder zu den Killing Fields gebracht. Da die roten Khmer, ähnlich der Nazis im 3. Reich, über alles ordentlich Buch führten und jede Gräueltat dokumentierten, sind die schrecklichen Ereignisse mit jedem Detail nachvollziehbar. Fotos der Opfer, teilweise vor und nach der Folter, hängen in den Räumen. 14 zu Tode gefolterte Insassen fanden die Vietnamesen bei ihrem Einzug in die Stadt noch vor, ihre Leichen wurden im Innenhof beigesetzt.

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Das Erschreckendste an dem ganzen Ort war für uns ganz klar die Normalität der Schule. An den Wänden hängen noch teilweise Tafeln, viele Kinder wurden hier unterrichtet und auf ihre Zukunft vorbereitet… auch konnten wir beide uns sehr gut vorstellen, wie noch Tage vor der ersten Folter spielende Kinder das Treppenhaus hoch und runter gelaufen sind… und nun überall Stacheldraht, Sportgeräte, die zu Folterinstrumenten umgebaut wurden, eingezogene Wände um Zellen zu schaffen… Ein wirklich bedrückender Ort.
Umso ärgerlicher machte es uns, dass koreanische oder chinesische Reisegruppen (Huyen, ich kann machen was ich will, ich erkenne den Unterschied einfach nicht!) vor den Bildern der Ermordeten ihre Spaß-/Posing-/Touri-Bilder machten und keinerlei Respekt oder Anteilnahme an der Geschichte erkennen ließen.

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Nach dem Museum ging es über holprige und staubige Straßen zu den Killing Fields von Choeung Ek, den gleichen Weg, den auch die Lastwagen mit den Menschen aus S 21 nahmen.
Um Panik zu verhindern, wurde den Inhaftierten gesagt, sie würden zu besseren Unterkünften gebracht werden. Wie grausam muss es gewesen sein, an den Fields aus dem Lkw zu steigen. Wir bekamen am Eingang einen Audioguide, der uns über den Platz mit interessanten Infos und stimmungsvoller Musik führte. Aussagen von Überlebenden, vor und nach der Übersetzung im Original hörbar, zeigten die intensiven und emotionalen Eindrücke, die auch uns immer mehr ergriffen.
Insgesamt befinden sich 129 Massengräber an dem Ort, davon sind 43 unberührt, da die Gedenkstupa mit Knochen bereits voll ist, sodass die Mönche entschieden haben die Toten in diesen Gräbern in Frieden ruhen zu lassen. Immer wieder finden die Menschen Knochensplitter auf den Wegen oder Kleidungsstücke, die nach Regenfällen frei gelegt werden. In einem der Massengräber fand man 166 Leichen ohne Kopf. Wie man später anhand der Kleidung herausfand, Soldaten aus den eigenen Reihen, die verdächtigt wurden mit dem Feind zusammen gearbeitet zu haben oder ungehorsam waren. „Kambodschanischer Körper mit vietnamesischem Geist“ war die Aussage Pol Pot`s zu der „Reinigung“ des kambodschanischen Körpers durch Enthauptung…
Besonders traurig machte auch uns der „Killing Tree“, an dem die Soldaten der roten Khmer Kleinkinder und Babys totschlugen.

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Es ist wahrlich erschreckend, was ein Volk sich selbst antun kann. Zum Ende der Herrschaft der Khmer starben auf den Killing Fields täglich etwa 300 Menschen, Pol Pot und sein Regime schafften es in ihrer fast vierjährigen Herrschaft ca. 3 Millionen Menschen (ca. ein Viertel des eigenen Volkes) zu töten, teils durch die gezielten Folterungen und Ermordungen, teils durch die unmenschlichen Bedingungen beim Arbeiten auf dem Land.
Während Pol Pot selbst 1998 nach einem langen Leben friedlich sterben konnte, dauert die Verhandlung gegen die restlichen Führungsleute immer noch an. Da es sich inzwischen um sehr alte Menschen handelt, ist kaum gewiss, ob sie ihr Urteil noch lebend erhalten werden. Aber so ist das halt mit der Justiz…

Geplättet und sehr mitgenommen ließen wir uns von unserem Tuk-Tuk-Fahrer im Anschluss vor den Palast fahren.
Die Parade anlässlich des Unabhängigkeitstages hatten wir bereits verpasst, aber für den Abend war ein Feuerwerk angesagt worden. Und tatsächlich tummelten sich bereits etliche Kambodschaner, teils von weit her angereist, auf dem Vorplatz. Die Stimmung war ausgelassen, sogar die Sicherheitskräfte waren gut gelaunt, überall spielten Kinder um uns herum… es war wirklich ein schöner Kontrast zu dem vorher erlebten und hat uns eines deutlich gemacht: die Kambodschaner lieben das Leben und genießen den Frieden, sie blicken voraus in eine bessere Zukunft und haben sich trotz der dunklen Stunden ihr Lächeln und ihren Optimismus bewahrt. Als dann das Feuerwerk los ging, waren wir schon wieder viel besser gelaunt und blickten zusammen mit hunderten anderer Augen zum Himmel und konnten die positive Stimmung im ganzen Land spüren und für uns selbst genießen.

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